Vorwort zu Carlo Mattognos Lügenchronik Auschwitz

Um den Hintergrund von Danuta Czechs Ausch­witz-Kalendarium wirklich zu verstehen, müssen wir die Dynamik der deutsch-polnischen Beziehungen während der letzten 200 Jahren verstehen. Oder besser gesagt, wir müssen die Dynamik der letzten 1.500 Jahre verstehen, also lassen Sie mich in die Vergangenheit zurückgehen. Genauer gesagt, weit zurück in die Vergangenheit.

Die moderne Gensequenzierungstechnik hat vor kurzem entdeckt, dass es um 5000 v. Chr. eine große Invasion in Europa gab, die aus Asien kam. Sie brachte eine Art von Pestbakterien mit sich, die in Europa bis dahin unbekannt war. Da es keine Immunabwehr gegen diese Krankheit gab, wurden die meisten der damals in weiten Teilen Europas ansässigen Bevölkerungen offenbar ausgelöscht und durch die asiatischen Eroberer ersetzt. Das, was wir heute als “Europäer” bezeichnen, sind also größtenteils Nachkommen dieser asiatischen Eroberer. Ich erwähne dies, um deutlich zu machen, dass Europa nie die ewige Heimat dieser oder jener ethnischen Gruppe von Völkern war.

Streng genommen könnte man sogar noch weiter in die Vergangenheit zurückgehen und darauf bestehen, dass Europa zuerst von Neandertalern besiedelt wurde, die dann vom modernen Menschen abgelöst wurden (ich weigere mich, uns Homo Sapiens zu nennen, denn es gibt wenig Weisheit in unserer Rasse…), während sich beide Gruppen bis zu einem gewissen Grad vermischten. Wir wissen das, weil wir dank moderner Gensequenzierungstechniken verstehen, was die DNS der Neandertaler von der DNS des Modernen Menschen unterscheidet, und wir sehen Sequenzen von Neandertaler-DNS in der DNS moderner Europäer (und Asiaten). Was auch immer die Dynamik war, die die meisten Neandertaler durch den Modernen Menschen ersetzt hat – Krankheiten, Krieg, höherer Fortpflanzungserfolg –Tatsache bleibt, dass die ursprünglichen menschlichen Bewohner Europas – die Neandertaler – durch den Modernen Menschen ersetzt wurden.

Dies bedeutet, dass vollständige Bevölkerungsverschiebungen in der Geschichte der Menschheit im Allgemeinen und in Europa im Besonderen regelmäßig vorkommen. Der Begriff “einheimisch” ist also relativ. Abgesehen von bestimmten Gebieten Afrikas, in denen sich der Mensch offensichtlich entwickelt hat, ist der Mensch überall sonst ein Eindringling und nicht etwa “einheimisch”. So gesehen ist die Verdrängung der ersten “Ureinwohner” Amerikas durch europäische Invasoren mittels Krankheiten, Krieg und höherem Reproduktionserfolg ab dem 17. Jahrhundert nur ein weiteres Kapitel in der langen Reihe ähnlicher Ereignisse in der Geschichte der Menschheit.

Die moderne Geschichte des Gebietes, das wir heute Polen und Deutschland nennen, bildet keine Ausnahme von dieser Regel. Da es keine natürlichen Grenzen gibt, haben sich die ethnischen, politischen und kulturellen “Grenzen” in dieser Region stets hin und her bewegt.

Abbildung 1: Karte Mitteleuropas um 50 n. Chr., welche die groben Siedlungsgebiete verschiedener germanischer Stämme zeigt.

Das erste nennenswerte Ereignis der dokumentierten Geschichte war die sogenannte Völkerwanderung, die irgendwann im 4. Jahrhundert n. Chr. begann und bis weit ins 6. Jahrhundert hinein andauerte. Ausgelöst wurde sie bis zu einem gewissen Grad durch den Druck, den die aus dem Osten nach Europa eindringenden Hunnen ausübten, aber auch durch das im Verfall begriffene Römische Reich, das in dem Versuch, den westlichen Teil des Reiches zu stabili­sieren, Bündnisse mit germanischen Kriegsherren zu schließen begann. Ohne ins Detail zu gehen, kann man mit Sicherheit sagen, dass frühere Annahmen über eine “Völkerwanderung”, bei der ganze germanische Stämme nach Westen und Süden zogen und den Zusammenbruch des Römischen Reiches herbeiführten, nicht mehr als korrekt gelten. Es ist viel wahrscheinlicher, dass die germanischen Stämme größtenteils dort blieben, wo sie waren; dass einige Gruppen beschlossen, zu den fruchtbareren Gefilden des Römischen Reiches auszuwandern, und dass einige germanische Kriegsherren die römische Schwäche ausnutzten, um Krieg gegen Rom zu führen oder Bündnisse mit Rom einzugehen, um mit Roms Zustimmung Kontrolle und Macht zu erlangen. Wie dem auch sei, die meisten Angehörigen der in Mitteleuropa lebenden germanischen Völker waren noch da, als diese Völkerwanderungszeit endete.

Die Karte auf der vorigen Seite zeigt die Siedlungsgebiete verschiedener germanischer Stämme um 50 n. Chr. Wir sehen, dass die Vandalen im heutigen Zentralpolen ansässig waren, während die Gotonen vermutlich in dem Gebiet siedelten, das später Ostpommern, West- und Ostpreußen genannt wurde. Mitteldeutschland – das heutige Vorpommern, Mecklenburg, Brandenburg, Sachsen, Anhalt und Thüringen – war die Heimat einer Reihe verwandter germanischer Stämme.

Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches und dem Ende der Völkerwanderungszeit gibt es einige Jahrhunderte lang keine schriftlichen Aufzeichnungen über die Vorgänge in Mitteleuropa. Als Karl der Große Teile des heutigen Westdeutschlands (vor allem Sachsen) eroberte, hatte sich die Landkarte bereits verändert. Als das kurzlebige Frankenreich Karls des Großen zerfiel, entstanden die Vorläufer des heutigen Deutschlands und Frankreichs, wobei sich Deutschland auf ein Gebiet beschränkte, das in etwa mit dem Gebiet übereinstimmt, das nach dem Zweiten Weltkrieg Österreich und Westdeutschland werden sollte. Die im heutigen Ostdeutschland und Polen lebenden Völker waren sprachlich weitgehend nicht mehr germanisch, sondern slawisch, wenn auch in keiner Weise als eigenständige politische Einheiten organisiert, falls sie überhaupt organisiert waren. In den folgenden ein bis zwei Jahrhunderten wurden die Gebiete zwischen Elbe und Oder, die bereits während des Frankenreichs tributpflichtig waren, dem Vorläufer von Deutschland einverleibt. Polen betrat die politische Bühne im späten 10. Jahrhundert, und hier beginnt die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen. Ich werde hier nicht auf die vielen kleinen Konflikte zwischen den verschiedenen Herzögen, Königen und Kaisern beider Nationen eingehen, da sie kaum Auswirkungen auf die Menschen hatten. Lassen Sie mich erklären, warum.

In jenen Zeiten hatte die politische Herrschaft wenig oder gar nichts mit ethnischen Gemeinsamkeiten zu tun. Einfach ausgedrückt: Die Herrscher erwarteten von ihren Untertanen, dass sie Steuern zahlten und auf Wunsch in einer Armee dienten, aber niemand mischte sich ein, welche Sprachen die Untertanen sprachen oder welche kulturellen Traditionen sie befolgten. Religionszuge­hörigkeiten waren wichtig – die Menschen wurden, wenn nötig, mit Feuer und Schwert zum Christentum bekehrt –, aber da es weder ein zentralisiertes Bildungssystem noch eine strukturierte öffentliche Verwaltung gab, spielte die Sprache einfach keine Rolle. In der Kirche wurde noch viele Jahrhunderte lang Latein gesprochen, und in den meisten europäischen Ländern wurde auch jede Art von offiziellen Regierungsgeschäften in dieser alten Weltsprache abgewickelt. Ob jemand Sorbisch oder Sächsisch sprach, machte daher für die Staatsdiener keinen Unterschied. Die Konzepte von Nationalität, Volkszugehörigkeit und Sprache wurden für die europäischen Herrscher erst während der napoleonischen Kriege und danach wichtig, als der europäische Adel die Unterstützung des Volkes für seine Kriege gegen das vereinigte und nationalisierte Frankreich benötigte.

Nun zurück zu den deutsch-polnischen Beziehungen. Zwei Entscheidungen von Mitgliedern des polnischen Adels hatten einen großen Einfluss auf diese Beziehungen. Die erste war die Entscheidung der polnischen Piasten-Dynastie in Schlesien gegen Ende des 12. und während des 13. Jahrhunderts, Siedler in ihre Region einzuladen, die zu einem großen Teil aus unbewohnten, bewaldeten Gebieten bestand. Diesem Ruf folgten viele deutsche Siedler, viele von ihnen aus Franken; unter ihnen befanden sich auch meine Vorfahren väterlicherseits (bis heute ist der Nachname Rudolf (mit F) gerade in Franken am häufigsten anzutreffen). Sie ließen sich in einem Gebiet nieder, dessen größte Stadt nach den Siedlern benannt ist: Frankenstein (ja, das berüchtigte welchige, aber der Ort hat keine Burg). Innerhalb von zwei Jahrhunderten wuchs die Bevölkerung Schlesiens um das Zehnfache, teils durch Zuwanderung, teils durch den wirtschaftlichen und damit auch reproduktiven Erfolg der neuen Siedler. Im 14. Jahrhundert wurde Schlesien bereits von den neuen Siedlern beherrscht. Es verwandelte sich von einem dünn besiedelten polnischen Gebiet in ein dicht besiedeltes deutsches Gebiet. Diese Entwicklung wurde mit dem Vertrag von Trentschin 1335 besiegelt, mit dem der Kaiser des Heilige Römischen Reiches (der aus den Reihen der deutschen Könige gewählt wurde) auf alle Ansprüche auf polnisches Gebiet verzichtete, während der polnische König “auf ewig” auf alle Ansprüche auf Schlesien verzichtete. In der Folgezeit gehörten große Teile der Grenze zwischen Deutsch-Schlesien und Polen viele Jahrhunderte lang zu den stabilsten Grenzen in Europa.

Die zweite Entscheidung traf 1226 der Piastenherzog Konrad I. von Masowien, als er den Deutschritterorden um Hilfe bei seinem Versuch bat, die heidnischen, baltischsprachigen pruzzischen Stämme im späteren West- und Ostpreußen zu erobern (siehe Abbildung 2). Sie hatten sich der Christianisierung und der Eroberung durch den polnischen Herzog viele Jahre lang widersetzt. Der Deutsche Orden, der gegründet worden war, um die berüchtigten Kreuzzüge ins “Heilige Land” zu führen, kontrollierte bereits die Gebiete unmittelbar westlich des pruzzischen Territoriums. Die Ritter machten kurzen Prozess mit den Pruzzen, eroberten und tauften sie in rascher Folge mit Feuer und Schwert und dehnten ihr Einflussgebiet später bis zum Finnischen Meerbusen aus, wobei sie auch die Gebiete eroberten, die später als Litauen, Lettland und Estland bezeichnet wurden.

Abbildung 2: Siedlungsgebiete verschiedener pruzzischer Stämme im 13. Jahrhundert im späteren West- und Ostpreußen.

Die Vorherrschaft des Deutschritterordens in diesem Teil Europas endete, nachdem sie 1410 eine große Schlacht gegen ein kombiniertes polnisch-litauisches Heer verloren hatten, und dann noch einmal etwa 40 Jahre später, wonach der Deutschritterorden nur noch Ostpreußen unter seiner Herrschaft hatte, abgesehen von einem Stückchen Land in der Mitte, das von Polen kontrolliert wurde (das Ermland). Zu diesem Zeitpunkt schwand die Kontrolle des Heiligen Römischen Reiches (d. h. zumeist der Deutschen) über einen Großteil Europas, während Polen zu einer Großmacht in Europa aufstieg. Diese Ära ging jedoch im späten 18. Jahrhundert zu Ende, als der polnische Staat mangels solider Führung zum Opfer seiner Nachbarn wurde, die ihn in den sogenannten polnischen Teilungen zwischen 1772 und 1795 unter sich aufteilten.

Ich möchte noch einmal betonen, dass keine dieser aristokratischen, militärischen oder adligen Herrschaften über eine bestimmte Region oder ein bestimmtes Volk einen großen Einfluss darauf hatte, wie die Menschen ihr Leben organisierten, welche kulturellen Traditionen sie pflegten und welche Sprachen sie sprachen. Ein Wechsel der gesprochenen Sprachen wurde hauptsächlich durch den Reproduktionserfolg und die wirtschaftliche Entwicklung bestimmt. Wenn man in einer Region lebte, in der es für den wirtschaftlichen Erfolg von Vorteil war, Deutsch, Polnisch oder Litauisch zu sprechen, so tat man das entsprechend.

All dies änderte sich, als Napoleons Armeen durch Europa fegten. Nachdem Napoleon die preußische Armee besiegt hatte und in Russland einmarschiert war, errichtete er wieder einen polnischen Staat, der jedoch nicht von Dauer sein sollte. Nach dem Rückzug Napoleons aus Russland und Deutschland wurden alle polnischen Gebiete, die kurzzeitig einem polnischen Staat zugewiesen worden waren, erneut von Preußen, Russland und Österreich vereinnahmt. Diesmal jedoch war der Nationalismus im europäischen Adel, in den politischen, finanziellen, wirtschaftlichen und intellektuellen Eliten sowie auch in der einfachen Bevölkerung erwacht. Sowohl die Verwaltungen in Preußen als auch in Russland führten in ihren mehrheitlich von Polen bewohnten Gebieten eine Politik ein, die Druck ausübte, gute deutsche bzw. russische Staatsbürger zu werden. Als Deutschland 1871 vereinigt wurde und eine Welle des deutschen Nationalismus auslöste, radikalisierte sich die deutsche Politik gegenüber der polnischen Minderheit: Alle Schulen in Deutschland mussten alle Fächer (außer Religion) auf Deutsch unterrichten, einschließlich der Schulen in Gebieten mit polnischer Mehrheit. Die deutsche Sprache wurde für alle Staatsangelegenheiten in der Judikative, Legislative und Exekutive verbindlich. Obwohl dieser Druck, Deutsch als Sprache zu verwenden, nie ein Ausmaß erreichte, das man als Verfolgung bezeichnen könnte, war die polnische Minderheit darüber gelinde gesagt nicht erfreut. Diese “sanfte” Art, die Assimilierung einer Minderheit zu erzwingen, ist unter Nationen, die Minderheitengebiete besetzen, durchaus üblich. Frankreich hat dies zum Beispiel im Elsass und Italien in Südtirol getan. Um es kurz zu machen: Der polnischen Minderheit wurde das Selbstbestimmungsrecht verweigert, und das sollte sich später für die Deutschen rächen.

Etwas mehr als 100 Jahre später, am Ende des Ersten Weltkriegs, wurden die Dinge auf den Prüfstand gestellt. Obwohl Deutschland bereits während des Krieges einen polnischen Staat, eine “Monarchie”, geschaffen hatte, dem es die einst von Russland besetzten ethnisch polnischen Gebiete zuwies, aber keinen Quadratzentimeter der von ihm selbst besetzten ethnisch polnischen Gebiete, war dieses Konstrukt ebenso kurzlebig wie das Gebilde Napoleons.

Ende 1918 akzeptierte Deutschland die Waffenstillstandsbedingungen, wie sie in Woodrow Wilsons 14-Punkte-Programm vorgeschlagen worden waren, das unter anderem den Völkern Europas – oder besser gesagt, nur denen, die von den Mittelmächten kontrolliert wurden – Selbstbestimmung versprach. Wären diese Bedingungen eingehalten worden, hätte Deutschland wenig zu befürchten gehabt. Aber es sollte nicht sein. Sobald Deutschland und seine Verbündeten die Waffen niederlegten, sollten die anderen kriegführenden Mächte dasselbe tun, aber stattdessen benutzten sie ihre Waffen, um den Mittelmächten einen Frieden aufzuzwingen, der wenig mit Selbstbestimmung zu tun hatte. Stattdessen begannen die Siegermächte, die Gebiete der Mittelmächte aufzuteilen, ohne die meisten der betroffenen Bevölkerungen zu fragen, ob sie damit einverstanden waren. Elsass-Lothringen wurde Frankreich zugesprochen – ohne jegliche Volksabstimmung (und mit der anschließenden Vertreibung von etwa 100.000 Deutschen, die seit 1871 in dieses Gebiet eingewandert waren). Das Gebiet Eupen-Malmedy wurde an Belgien abgetreten – ohne Volksabstimmung. Südtirol wurde Italien zugesprochen – ohne Volksabstimmung (und angesichts der aggressiven Assimilierungspolitik Mussolinis verließen bis 1943 etwa 75.000 Deutsche das Gebiet). Südkärnten wurde einem noch nie dagewesenen, instabilen Land namens Jugoslawiens zugesprochen – ohne jegliche Volksabstimmung. Die Stadt Ödenburg wurde Ungarn abgetreten – ohne jegliche Volksabstimmung. Das gesamte Gebiet von Böhmen, Mähren und der Slowakei wurde ohne Volksabstimmung in einen nie zuvor dagewesenen, instabilen Staat namens Tschechoslowakei eingegliedert (was später zur Sudetenkrise und schließlich zum Zerfall dieses Staates führte). Der größte Teil Westpreußens und die Provinz Posen wurden Polen zugesprochen – ohne jegliche Volksabstimmung (eine Volksabstimmung in der Provinz Posen wäre womöglich die einzige gewesen, die die Deutschen wahrscheinlich verloren hätten).

Die einzigen Gebiete, in denen es Volksabstimmungen gab, waren: a) das Grenzgebiet zwischen Dänemark und Deutschland – und das faire Ergebnis wurde von allen Seiten anerkannt; und b) einige Gebiete, die von der neuen polnischen Republik beansprucht wurden: einige östliche Kreise in Westpreußen, das südliche Ostpreußen und Oberschlesien. Aber hier entwickelten sich die Dinge nicht wie erwartet. Vor allem in Oberschlesien gerieten die Dinge außer Kontrolle. Kaum hatte Deutschland am Ende des Ersten Weltkriegs die Waffen niedergelegt, griffen polnische paramilitärische Einheiten zu den Waffen und versuchten, die Region Posen sowie Oberschlesien zu erobern, das wegen seiner reichen Kohleminen und metallurgischen Industrie eine begehrte Kriegsbeute war. Die neue polnische Regierung war wild entschlossen, dieses Gebiet in die Hände zu bekommen, und sie setzte alles daran, die örtliche Bevölkerung dazu zu bringen, bei der bevorstehenden Volksabstimmung für Polen zu stimmen, die erst im März 1921, also mehr als zwei Jahre nach Kriegsende, abgehalten wurde. Zu dieser Kampagne zur Erlangung der Kontrolle gehörten bewaffnete “Aufstände” polnischer paramilitärischer Einheiten unter der Führung von Wojciech Korfanty, die von der polnischen Regierung mit Waffen versorgt wurden, was bedeutet, dass die polnische Seite versuchte, eine Abtrennung dieser Gebiete von Deutschland mit Waffengewalt zu erzwingen, indem sie einen regelrechten Krieg gegen die lokale Bevölkerung führte, was einem unerklärten Krieg zwischen den paramilitärischen Kräften der beiden Länder sehr nahe kam. Als die Volksabstimmung von Deutschland in Oberschlesien gewonnen wurde (nur in einigen wenigen Bezirken im äußersten Südosten gab es eine polnische Mehrheit) und die Polen befürchteten, niemals die Kontrolle über die von ihnen gewünschten Gebiete zu erlangen, inszenierten sie einen weiteren “Aufstand”. Um die Polen zu besänftigen, wurden schließlich die Gebiete mit den wichtigsten Kohleminen an Polen abgetreten, obwohl sogar einige von ihnen für Deutschland gestimmt hatten.

Abbildung 3: Hätten die Bewohner der Gebiete, über die eine Volksabstimmung durchgeführt wurde, gemäß ihrer selbsterklärten Muttersprache abgestimmt, hätte Polen Teile des südlichen Ostpreußens erhalten.

Die Stimmung in Ost- und Westpreußen war nicht ganz so aufgeheizt, da es im größten Teil Westpreußens nie zu einer Volksabstimmung kommen sollte, weil Polen behauptete, dieses Gebiet sei hauptsächlich von Polen bewohnt, und weil die 14 Punkte Wilsons Polen einen Zugang zur Ostsee versprochen hatten, was angeblich die Bildung eines Korridors durch deutsches Gebiet voraussetzte, unabhängig davon, was die örtliche Bevölkerung darüber dachte. Außerdem hatte Polen gehofft, dass die Bevölkerung in den Gebieten Westpreußens und des südlichen Ostpreußens (Masuren) für Polen stimmen würde, da in diesen Gebieten laut einer deutschen Volkszählung von 1910 zu einem beträchtlichen Teil Menschen wohnten, deren Muttersprache Polnisch war (siehe Abbildung).

Als nach der Volksabstimmung im Juli 1920 die Ergebnisse bekannt wurden, waren jedoch selbst die Deutschen fassungslos. So stimmten beispielsweise die Einwohner des Kreises Ortelsburg im südlichen Ostpreußen, von denen nur zehn Jahre zuvor etwa 70% Polnisch als ihre Muttersprache angegeben hatten, zu 99% für Deutschland. In Westpreußen war die Situation ähnlich. Im Landkreis Marienwerder, dem westlichsten Landkreis, in dem überhaupt eine Volksabstimmung stattfand und in dem eine selbsterklärte polnischsprachige Minderheit von etwa 10% lebte, stimmten 93,5% aller Wähler für Deutschland.

Abbildung 4: Die tatsächlichen Ergebnisse der Volksbefragung zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der polnischen Muttersprachler es vorzog, in Deutschland zu leben, anstatt ihre Heimatregion an Polen abgetreten zu sehen.

Eine Ausnahme von diesem andauernden Streit zwischen Deutschland und Polen um diese Gebiete bildete die Stadt Danzig, die als Polens Zugangshafen zur Ostsee dienen sollte. In dieser Stadt, die jahrhundertelang von Deutschen dominiert worden war – unabhängig davon, wer dort herrschte –, gab es 1910 nur eine Minderheit von etwa 2% polnischer Muttersprachler. Wäre dort eine Abstimmung durchgeführt worden, hätte sie leicht 99,9 % der Stimmen für Deutschland ergeben können. Unter diesen Umständen beschloss der Völkerbund, die Stadt mit ihrem großzügigen Umland von Deutschland abzutrennen, doch anstatt sie Polen zu überlassen, wurde sie der Verwaltung des Völkerbundes unterstellt, der jedoch nie wirkliche Machtbefugnisse hatte. Diese unmögliche Situation sollte der Brennpunkt werden, an dem sich zwanzig Jahre später der Zweite Weltkrieg entzünden sollte.

Die zweite polnische Republik der Zwischenkriegszeit war eine Diktatur, die nie ernsthaft an einer Volksabstimmung interessiert war. Sie hat die diesbe­zügliche Entscheidung der Westmächte nur missmutig hingenommen. Wo diese Zwänge der internationalen Machtpolitik fehlten, zeigten sie ihr wahres Gesicht: Zeitgleich mit den Volksabstimmungen an seinen Westgrenzen begann Polen an seiner Ostgrenze einen massiven Eroberungskrieg, indem es in die junge Sowjetunion einfiel, die damals noch in einen massiven Bürgerkrieg verwickelt war. Polen hatte “Glück”, denn die Sowjetunion war zu dieser Zeit schwach, so dass Polen am Ende große weißrussische und ukrainische Gebiete, die nur von einer meist schwachen polnischen Minderheit bewohnt waren, der Sowjetunion entriss und in sein Territorium der Zwischenkriegszeit eingliederte – ohne dass dort jemals eine Volksabstimmung stattfand. Freilich machten sich die Polen damit in Moskau keine Freunde, was ihnen später zum Verhängnis wurde, als Stalin und Hitler 1939 die erneute Teilung Polens vereinbarten.

Sobald Polens Grenzen faktisch konsolidiert waren, machte sich das Land daran, sein neues Territorium in ein ethnisch monolithisches Land umzuwandeln. Jeder Litauer, Weißrusse, Deutsche, Jude oder Ukrainer, der nicht bereit war, sich zu assimilieren und ein guter katholischer Pole zu werden, geriet unter Druck. Erklärtes Ziel war es, alle, die sich nicht assimilieren wollten, zu vertreiben. Letztlich ging es darum, mögliche künftige Ansprüche eines Nachbarlandes auf eine Grenzrevision zu untergraben, die durch die Tatsache untermauert werden konnten, dass ihre jeweiligen ethnischen Angehörigen in ehemals von diesem Land kontrollierten Gebieten lebten. Die Situation war daher für Deutsche, die in ehemals deutschen Gebieten, insbesondere in Westpreußen, lebten, besonders ernst. Gesetzliche und außergesetzliche Maßnahmen der polnischen Gesellschaft nahmen zu, die darauf abzielten, diese Deutschen so weit zu entfremden, dass für sie nur noch die Auswanderung nach Deutschland in Frage kam. Bereits 1921 kam es zu einigen Ausschreitungen gegen Deutsche, und bis zum Ende des Jahres hatten fast 50% der deutschsprachigen Einwohner Polens das Land verlassen und waren nach Deutschland gezogen. Wie es der US-amerikanische Historiker Richard Blanke formulierte (S. 64f.):

“In vielerlei Hinsicht ähnelte Polens Umgang mit der deutschen Minderheit [zunächst] der preußisch-polnischen Politik vor 1918: Schikanen gegen politische Organisationen und die Presse der Minderheit, Untergrabung der Schulen der Minderheit, Angriffe auf den Grundbesitz der Minderheit und wirtschaftliche Diskriminierung durch den Staat.”

In der Zwischenzeit versuchte die polnische Außenpolitik mehrmals erfolglos, Frankreich zu einem “Präventivkrieg” gegen Deutschland zu bewegen, um seinem Nachbarn noch mehr Gebiete bis zur Oder und Neiße zu entreißen. Die Drohgebärde Polens nahm zu, als der polnische Führer Marschall Józef Pił­sudski 1935 starb und durch aggressivere Politiker ersetzt wurde. Der Höhepunkt wurde erreicht, als Großbritannien Polen Ende März 1939 den berüchtigten Blankoscheck ausstellte, mit dem man versprach, an der Seite Polens in “jeder Aktion zu kämpfen, die eindeutig die polnische Unabhängigkeit bedroht”, selbst wenn es sich um eine polnische Aggression gegen Deutschland handelte, die zu einem Konflikt zwischen den beiden Nationen führte. Die polnischen Medien schürten daraufhin eine antideutsche Hysterie in Polen, die zu einer Eskalation der Übergriffe gegen ethnische Deutsche und ihre Einrichtungen führte, was im Sommer 1939 eine Massenflucht vieler der in Polen verbliebenen Deutschen zur Folge hatte. Die polnischen Medien sprachen von einem baldigen Krieg gegen Deutschland, begleitet von Drohungen gegen die deutsche Minderheit in Polen. Alle deutschen Verhandlungsversuche stießen in Polen auf taube Ohren. Als der Krieg schließlich ausbrach, entdeckten die in Polen einmarschierenden deutschen Einheiten zahlreiche Fälle, in denen Angehörige der deutschen Minderheit von polnischen Banden bei Vorgängen ermordet worden waren, die nur als ein landesweites Pogrom bezeichnet werden können. Der bekannteste dieser Fälle war der sogenannte Bromberger Blutsonntag.

Was ich bisher berichtet habe, sind Informationen, die in allgemein zugänglichen Standardquellen zu finden sind. Selbst eine Suche in Wikipedia wird die Dinge, die ich hier geschrieben habe, bestätigen. Sie sind nicht strittig. Was die Ereignisse während der deutschen Besatzung Polens betrifft, gehen die Meinungen allerdings auseinander. Unbestritten ist, dass das nationalsozialistische Deutschland sich auch nicht um Volksabstimmungen scherte, wenn es diese mit Gewalt umgehen konnte. Diese Haltung zeigte sich deutlich bei der Besetzung der Resttschechei Anfang 1939, und sie zeigte sich auch in Polen. Während Hitler-Deutschland in Friedenszeiten mehrfach vorschlug, Volksabstimmungen im Korridor durchzuführen, machten sich die Deutschen, als sie das Gebiet ab September 1939 kontrollierten, nie die Mühe, jemanden zu fragen, ob ihre Herrschaft dort willkommen war. Darüber hinaus annektierte Deutschland Gebiete südlich von Ostpreußen, die nie von einer nennenswerten Anzahl ethnischer Deutscher bewohnt worden waren. Die Politik, die in den “zurückgewonnenen” und den neu eroberten Gebieten durchgeführt wurde, sollte die Ergebnisse der polnischen Entdeutschungspolitik der Zwischenkriegszeit rückgängig machen und durch eine Entpolonisierungspolitik ersetzen. Diesmal wurden die Polen aus diesen Gebieten ausgesiedelt und die Deutschen, die früher dort ansässig waren, sowie neue Deutsche dort angesiedelt. Dies alles ist unbestritten.

Umstritten ist jedoch die Zahl der polnischen Zivilisten, die während des Krieges ums Leben kamen. In den gängigen Quellen wird die polnische Behauptung nachgeplappert, dass sechs Millionen Menschen starben. Ja, Sie haben das richtig gelesen. Die behauptete Opferzahl ist die gleiche wie die der jüdischen Opfer des nationalsozialistischen Deutschlands, ihre Grundlage ist genauso wackelig, und ihre Verwendung zur Rechtfertigung von Ansprüchen gegen Deutschland und um den Deutschen ein ewiges Gefühl von Schuld und Reue einzuflößen, ist ebenfalls genau die gleiche. Hier decken sich die polnischen und jüdischen Interessen und Absichten bezüglich der Geschichtsschreibung.

Es gibt zwei Probleme mit dieser Opferzahl. Das erste besteht darin, dass die Hälfte der Todesopfer in Polen lebende Juden gewesen sein sollen. Auf die wackelige Grundlage dieser Behauptung möchte ich hier nicht eingehen. Die andere Hälfte basiert auf der Behauptung, dass Polen in seinen heutigen Grenzen drei Millionen Menschen verloren hat, verglichen mit der Bevölkerung, die dort vor dem Krieg lebte. Das Problem ist, dass große Teile des heutigen Polens nicht polnisch waren und bis zum Ende des Krieges auch nicht von Polen besiedelt wurden. Es waren deutsche Provinzen, in denen fast ausschließlich Deutschen lebten, die bei Kriegsende oder kurz danach aus diesen Gebieten flohen oder vertrieben wurden (Ostpreußen, Ostpommern und Schlesien), wobei viele von ihnen ums Leben kamen. Dabei handelt es sich nicht um polnische Kriegsopfer, sondern um deutsche Opfer polnischer ethnischer Säuberungen (für Einzelheiten siehe O. Müller 2003).

Damit wären wir bei der unmittelbaren Nachkriegszeit angelangt. Auf der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 einigten sich die alliierten Siegermächte auf Grundsätze dessen, was mit Deutschland geschehen sollte. Zunächst wurde Deutschland als das Land in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 definiert, also vor den Gebietsgewinnen, die es nach diesem Datum erzielt hatte (Österreich, Sudetenland, Memelgebiet). Dann lesen wir in Abschnitt XII. des Konferenzabkommens über die “Geordnete Überführung der deutschen Bevölkerung”:

“Die drei Regierungen haben die Frage in all ihren Aspekten geprüft und erkennen an, dass die Überführung der in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn verbliebenen deutschen Bevölkerung oder von Teilen davon nach Deutschland durchgeführt werden muss. Sie stimmen darin überein, dass jede Überführung in geordneter und humaner Weise erfolgen sollte.”

Man bedenke, dass die “in Polen verbliebene deutsche Bevölkerung” überführt werden sollte, dass Deutschland in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 festgelegt worden war, und dass die Gebiete eben dieses Deutschlands östlich der sogenannten Oder-Neiße-Linie nur “unter die Verwaltung des polnischen Staates” gestellt wurden (Punkt VIII.B. des Abkommens), aber “bis zur endgültigen Festlegung der Westgrenze Polens” nicht Teil des eigentlichen Polens waren – jedenfalls noch nicht. Wörtlich genommen bedeutete dieses Abkommen also NICHT, dass die deutsche Bevölkerung, die 1937 in Deutschland, aber östlich der Oder-Neiße-Linie lebte, vertrieben werden sollte. Aber genau das ist dann schließlich geschehen. Mein Vater und seine Familie wurden 1946 aus ihrer jahrhundertealten Heimat im Kreis Frankenstein vertrieben, zusammen mit Millionen anderer Deutscher in Schlesien – man erinnere sich an den Vertrag von Trentschin: Polen verzichtete “auf ewig” auf alle Ansprüche auf Schlesien –, Ostpommern, West- und Ostpreußen (obwohl die große Mehrheit der Deutschen bereits bei Kriegsende aus Ostpreußen evakuiert worden war).

Verglichen mit den bestialischen Massenabschlachtungen, die bei Kriegsende in der Tschechei und in Slowenien gegen ethnische Deutsche ausbrachen und Hunderttausenden von Deutschen das Leben kosteten, war die ethnische Säuberung in den deutschen Ostprovinzen relativ “human” – insofern eine ethnische Säuberung überhaupt jemals human sein kann, und wenn man bedenkt, dass Millionen von Menschen mit nicht viel mehr als dem, was sie tragen konnten, in verwüstete, völlig zerstörte, hungernde und von Epidemien geplagte westlichere Regionen Deutschlands vertrieben wurden. Viele starben an Erschöpfung und Hunger, einfach weil unter den herrschenden Umständen eine sichere Reise unmöglich war.

Diejenigen Deutschen, die sich entschlossen, zurückzubleiben – oder die rund eine Million Deutschen aus dem oberschlesischen Industriegebiet, die zurückgehalten wurden, weil Polen ihr Fachwissen in den Fabriken brauchte – mussten sich schnell anpassen oder wurden von ihren neuen polnischen Herren hart behandelt. Tatsächlich wurden Lager, die zuvor von den Nationalsozialisten eingerichtet worden waren, um Kriminelle, Dissidenten, verfolgte Minderheiten und Kriegsgefangene einzusperren, von den neuen polnischen Herren übernommen und dazu benutzt, Deutsche einzusperren, die sich nicht dem Willen ihrer neuen Herren beugen wollten. John Sack hat in seinem Buch Auge um Auge zutreffend über diese polnischen Vernichtungslager berichtet, in denen Tausende von Deutschen umkamen. Wer in dem, was die neuen polnischen Bewohner als ihre neue Heimat betrachteten, Deutsch sprach, lief Gefahr, ausgeraubt, vergewaltigt, ermordet oder ins Gefängnis geworfen zu werden. Der deutsche Jude und Holocaust-Überlebende Josef G. Burg hat berichtet, was er Anfang 1946 in der zerstörten schlesischen Hauptstadt Breslau erlebte, als er auf der Durchreise zu einem Displaced-Persons-Lager bei München dort kurzfristig verweilte (Burg 2108, S. 81f.):

“Die Stadt war grauenhaft zerstört. […] Der Haß wurde nun nicht nur gepredigt, sondern auch praktiziert. Die Nächte waren unheimlich. Immer wieder hörte man schießen und Menschen um Hilfe schreien. Diebstähle, Raubüberfälle und Morde waren an der Tagesordnung. Meist hieß es, wenn man sich erkundigte: Es war nur ein Deutscher, der erschossen wurde! Und niemand kümmerte sich darum. […]

Ich ging mit meiner Familie und einigen Bekannten in den Ruinengassen der Stadt spazieren. Es war Januar 1946. Natürlich unterhielten wir uns auf Jiddisch. Plötzlich stürzten aus einem Erdloch einige halbnackte Kinder heraus und liefen über den nassen Schnee auf uns zu. Weinend baten sie uns um etwas zu essen.

Im ersten Augenblick war ich zurückgeprallt. Dann jedoch hatte ich sofort begriffen, denn die Kinder sprachen deutsch. Sie hatte der Krieg verschont, und wie Tiere hatten sie sich in Höhlen verkrochen, in denen sie nun ein unbe­schreibliches Leben führten. Unser Jiddisch hielten sie für Deutsch. Sie glaubten Deutsche vor sich zu haben.

Ehe ich aber noch reagieren konnte, versetzte einer meiner Begleiter einem der Kinder einen brutalen Fußtritt, so daß das Mädchen – es mochte vielleicht sechs Jahre alt sein – zu Boden stürzte. Meine Frau, die im wesentlichen meine Ansichten nicht teilte, warf sich dazwischen, […]. Während meine Frau sich mit den Kindern beschäftigte, ging ich zum nächsten Bäckerladen und kaufte eine Tüte voll Semmeln, um sie den Halbverhungerten zu bringen.”

In der Nachkriegszeit arbeitete Polen fieberhaft an der ethnischen Säuberung seines eigenen Territoriums und auch der neu eroberten deutschen Ostgebiete von Millionen ethnischer Deutscher. Die Pogrome, die zu Beginn des Zweiten Weltkriegs begonnen hatten, waren in den ersten Jahren ein fester Bestandteil des Alltags der Deutschen, die unter polnischer Herrschaft lebten. Wer Deutscher war und blieb, hatte sich das selbst zuzuschreiben. Wer Polnisch sprechen konnte, konnte sich anpassen. Wer es nicht konnte oder darauf bestand, Deutsch zu sprechen, hatte es nicht anders verdient. Obwohl das Sprechen der deutschen Sprache im Nachkriegspolen meines Wissens nie offiziell verboten war, führte das Sprechen der deutschen Sprache zu heftigen Reaktionen bei den neuen polnischen Herren. Sie unternahmen große Anstrengungen, um alles auszulöschen, was sie an die jahrhundertealte deutsche Geschichte der neu eroberten Gebiete erinnerte. Denkmäler wurden zerstört, Grabsteine entfernt oder ihre deutschen Inschriften weggemeißelt, Archive und alle Arten von Unterlagen in Gerichten, Stadt- und Kreisverwaltungen, Kirchen, Medien, Unternehmen usw. wurden entweder in Kellern weggeschlossen oder einfach weggeworfen oder verbrannt. All dies geschah unter dem verlogenen Slogan, dass diese alten polnischen Gebiete nach jahrhundertelanger deutscher Unterdrückung endlich zurückgewonnen worden seien…

Mit anderen Worten: Wie fast alle Nationen, die über Deutschland gesiegt hatten, wurde Polen in der Nachkriegszeit von einem antideutschen Völkermordrausch erfasst. Jede Behauptung über deutsche Gräueltaten schürte dieses Feuer und wurde vom neuen System begrüßt, das nach jeder Ausrede suchte, um die Deutschen für so ziemlich alles verantwortlich zu machen, damit man eine “Rechtfertigung” für die Politik der ethnischen Säuberung hatte. Letzten Endes waren sich die neuen polnischen Machthaber jedoch sehr wohl der abscheulichen Verbrechen bewusst, die sie begingen. Nie zuvor in der Geschichte hatte es einen derartigen Raub von Gebieten in Verbindung mit einer so massiven ethnischen Säuberung in diesem Ausmaß gegeben. Wie konnte ein vernünftig denkender Mensch jemals glauben, dass sie damit durchkommen würden?

Es stimmt zwar, dass die deutsche Besetzung Polens während des Krieges Opfer gefordert und großen Schaden angerichtet hatte, aber das rechtfertigt nicht, die Deutschen nach dem Krieg zu Opfern zu machen. Ein Unrecht hebt das andere nicht auf!

Die westdeutschen Regierungen der ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte sahen das sicherlich ebenso und bestanden darauf, dass Polen mit diesem Landraub nicht davonkommen sollte. Mit Ausnahme der kommunistischen Partei bestanden alle westdeutschen Parteien, von der sozialistischen SPD bis zur konservativen CDU, in den ersten bundesweiten Wahlkämpfen darauf, dass die geraubten deutschen Gebiete zurückgegeben werden müssen. Zumindest sagten sie das ihren Wählern. In jenen Jahren waren gut 15% von ihnen Heimatvertriebene aus Ostdeutschland und Osteuropa. Aber angesichts der Tatsache, dass sich die Welt in einem Kalten Krieg befand, in dem beide Seiten bis an die Zähne mit Atomwaffen bewaffnet waren, und Deutschland kastriert und geteilt inmitten dieser weltweiten Konfrontation lag, gab es nie eine realistische Chance, irgendetwas an einen Teil Deutschlands zurückzugeben.[1] Aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Damals konnten (oder wollten) sich die Menschen einfach nicht vorstellen, dass eine so große Ungerechtigkeit jemals akzeptiert werden könnte.

Die Polen, so extrem nationalistisch, wie sie damals waren, konnten sich gewiss nicht vorstellen, dass die Deutschen jemals eine solche Behandlung akzeptieren würden. Kein Pole würde jemals einer solchen Behandlung seines Volkes zustimmen, warum also sollte es ein Deutscher tun?

Die Deutschen stimmten letztlich zu, und hier ist, wie man dies deichselte:

In dem vergifteten, heftig antideutschen Klima im Polen der unmittelbaren Nachkriegszeit führte das neue polnisch-stalinistische Regime Prozesse gegen viele Deutsche durch, die aller möglichen Kriegsgräuel beschuldigt wurden. Unter den gegebenen Umständen konnten diese Prozesse nichts anderes sein als stalinistische Schauprozesse. Schuldsprüche waren so gut wie unvermeidlich, ganz unabhängig von den Anklagevorwürfen. Die westdeutsche Justiz war sich der Unzuverlässigkeit der Ergebnisse dieser stalinistischen Gerichte wohl bewusst, so dass zunächst kein westdeutsches Gericht und keine westdeutsche Staatsanwaltschaft die Institutionen eines kommunistischen Landes um Amtshilfe bei westdeutschen Strafermittlungen gegen Deutsche bat, die beschuldigt wurden, während der Zeit des Nationalsozialismus Gräueltaten begangen zu haben. Das änderte sich jedoch 1958, als sich das Internationale Ausch­witz-Komitee für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen gegen Wilhelm Boger einsetzte, einen ehemaligen Mitarbeiter der Politischen Abteilung des Konzentrationslagers Ausch­witz. Das Internationale Ausch­witz-Komitee war eine polnisch-kommunistische Propagandaorganisation, die 1952 mit Sitz in Krakau gegründet worden war. Da aber damals kaum jemand im Westen ernst nahm, was von einer polnisch-kommunistischen Organisation kam, richtete man ein Generalsekretariat des Ausch­witz-Komitees in Wien im neutralen Österreich ein. (Bezeichnenderweise befindet sich der Hauptsitz des Internationalen Ausch­witz-Komitees heute in Berlin.) Von Wien aus leitete der Kommunist und Ausch­witz-Überlebende Hermann Langbein eine 1958 gestartete Kampagne zur Einleitung eines großen Prozesses in Westdeutschland gegen ehemalige Mitglieder des SS-Standorts Ausch­witz (siehe Rudolf 2002). Man kann davon ausgehen, dass Langbein diese Kampagne eng mit seinen Marionettenmeistern in Krakau und Warschau koordinierte.

Nach der offiziellen Eröffnung der Ermittlungen gegen Wilhelm Boger im August 1958 – die bald auf viele weitere Beschuldigte ausgeweitet wurden – machten sich die Polen daran, eine Reihe von Dokumenten von großer Bedeutung vorzubereiten: Danuta Czech vom polnischen Ausch­witz-Museum nutzte die ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen, um einen tageweisen Bericht darüber zu verfassen, was die polnisch-kommunistischen Behörden der Welt glauben machen wollten, was sich während des Krieges im Lager Ausch­witz zugetragen hatte. Sie sollte einen gestrafften Bericht verfassen, der die bereits durch die Schauprozesse bei Kriegsende, also vor allem beim Krakauer Prozess gegen den ehemaligen Lagerkommandanten Rudolf Höß und beim Warschauer Prozess gegen andere Mitglieder des SS-Standorts Ausch­witz “ermittelten” Ergebnisse untermauern sollte. Dieser gestraffte Bericht wurde sowohl auf Polnisch als auch zugleich in einer deutschen Übersetzung veröffentlicht. Zu diesem Zweck gründete das Ausch­witz-Museum sogar eine eigene deutschsprachige Zeitschrift des Titels Hefte von Ausch­witz (siehe Czech 1959-1962, 1964a&b). Während Deutsch als Sprache in allen Gebieten unter polnischem Einfluss faktisch, wenn auch nicht rechtlich, verboten war und das Sprechen der deutschen Sprache in Polen in der unmittelbaren Nachkriegszeit für Zuwiderhandelnde Unheil und Verderben bringen konnte, begegnen wir inmitten dieses antideutschen Wahns einer deutschsprachigen Zeitschrift, die von der polnischen Regierung in Verbindung mit einem ihrer Museen herausgeben wird. Wie ist das zu erklären?

Die Indizien weisen eindeutig darauf hin, dass dieses Projekt darauf abzielte, den sich damals in Westdeutschland anbahnenden Ausch­witz-Prozess entscheidend zu beeinflussen. Und in der Tat, wenn wir die Akten des Frankfurter Ausch­witz-Prozesses lesen, finden sich dort Hinweise auf Czechs Hefte von Ausch­witz, und sie dienten sogar als Beweismittel; tatsächlich trat Danuta Czech selbst als Sachverständige in diesem Prozess auf. Vor allem aber ist anzunehmen, dass die von Czech erstellten Aufzeichnungen dazu dienten, polnische Zeugen zu “instruieren”, bevor sie zwecks Zeugenaussagen nach Frankfurt gen Westen reisten, womit man sicherzustellen versuchte, dass sie alle eine kohärente Geschichte erzählten, die mit dem übereinstimmte, was die Verantwortlichen des Ausch­witz-Museums als “die Wahrheit” verkündet hatten. Dass eine derartige massive Manipulation polnischer Zeugen tatsächlich stattfand, wurde während des Prozesses selbst aufgedeckt, wie ich an anderer Stelle berichtet habe (Rudolf 2019, S. 112f.).

Die Strategie dahinter war, der westdeutschen Justiz die stalinistische Propagandaversion der Geschehnisse in Ausch­witz aufzudrängen (und auch anderswo bei anderen, späteren Prozessen) und sie als die einzig akzeptable Darstellung zu etablieren. Wenn die westdeutsche Justiz den Wahrheitsgehalt der enormen Behauptungen polnischer Historiker bestätigen würde (freilich mit Unterstützung oder sogar auf Betreiben vieler jüdischer Historiker), so würde dies ein gigantisches Kainsmal für Deutschland bedeuten, ein Schuldbekenntnis von solch ungeheurem Ausmaß, dass alles, was Deutschland und dem deutschen Volk am Ende des Krieges und danach widerfuhr, nur als wohlverdiente Strafe für unfassbare Verbrechen angesehen werden konnte. Es war die Fortsetzung des Krieges mit den Mitteln der psychologischen Kriegführung. Das war nichts anderes als “Raubsicherungspolitik”, eine Politik, die darauf abzielte, die Beute des größten Raubes der Menschheitsgeschichte zu sichern, also die Annexion Ostdeutschlands durch Polen und die ethnische Säuberung der deutschen Bevölkerung.

Es hat funktioniert. Der Frankfurter Ausch­witz-Prozess erwies sich als ein Wendepunkt in der deutschen Geschichte. Es folgte eine Flut ähnlicher Prozesse, die bis zum heutigen Tag gegen 100-jährige Greise geführt werden, alle nach dem gleichen Drehbuch stalinistischer Schauprozesse der unmittelbaren Nachkriegszeit. Sie verwandelten die einst stolze deutsche Nation in eine Nation von sich selbst geißelnden, rückgratlosen Kreaturen, die der Meinung sind, dass alles, was ihnen während das Krieges und danach angetan wurde – Flächenbombardierung, Massenmord an “entwaffneten feindlichen Streitkräften”, Massendeportationen nach Sibirien, ethnische Säuberungen, Hungerpolitik, Demontage der deutschen Industrieanlagen, Patentraub – eine gerechte Strafe für alle Verbrechen war, die während des Krieges angeblich begangen wurden. In der Tat bestehen einige selbsthassende Deutsche darauf, dass die einzige angemessene Sühne für das Verbrechen der deutschen Nation, für den “Holocaust”, darin besteht, für immer von der Erdoberfläche zu verschwinden: “Deutschland, du hast genug für die Menschheit getan, verschwinde nun!” Angesichts der (angeblichen) Verbrechen Hitlers wird die Umsetzung einer Politik, die auf die Erhaltung der einheimischen deutschen Bevölkerung und Kultur abzielt, allgemein als völlig undenkbar angesehen. Der heutige demographische Kollaps der deutschen Urbevölkerung, die in wenigen Generationen nicht mehr existieren wird, ist eine logische Folge davon.

Wenn es einen polnischen Bevölkerungsüberschuss im zweistelligen Millionenbereich gäbe, könnten diese jetzt den Rest Deutschlands übernehmen, und Polen könnte seinen endgültigen Sieg über seinen westlichen Nachbarn feiern! Das einzige Problem dabei ist, dass es keine polnische Bevölkerungsüberschuss gibt. Tatsächlich haben die Polen mit der Verbreitung ihrer stalinistischen Kriegspropaganda den Brunnen für alle europäischen Völker auf der ganzen Welt vergiftet, auch für ihr eigenes. Keines dieser Völker ist mehr in der Lage, eine Politik der kulturellen und ethnischen Selbsterhaltung zu betreiben, denn wer eine solche Politik betreiben will, wird von seinen Gegnern schlicht als Nazi beschimpft, und das war’s dann… Daher erleidet die einheimische Bevölkerung Polens den gleichen demographischen Kollaps wie die Deutschlands; und Italiens; und Griechenlands; und Spaniens; und, und, und…

Im Zeitalter der Pille ist der Bevölkerungs- und Zivilisationskollaps die wahre große Herausforderung für Europa (und bald auch für andere Regionen der Welt). Während Europa durch die Nachwirkungen der Kriegspropaganda gelähmt ist, übernehmen Millionen von Einwanderern hauptsächlich aus Afrika und Vorderasien langsam aber sicher den gesamten Kontinent. Innerhalb etwa eines Jahrhunderts wird auch der Rest der derzeitigen einheimischen Bevölkerung Europas so gut wie vollständig durch die neuen Einwanderer ersetzt werden, wobei sich einige der alten Einwohner mit den Neuankömmlingen vermischen werden, genau wie es bei den Neandertalern der Fall war. Die Geschichte Europas wiederholt sich, nur dass wir dieses Mal im Gegensatz zu den früheren prähistorischen Fällen wissen, was die Gründe für diesen Bevölkerungsaustausch sind.

Danuta Czechs Ausch­witz-Kalendarium ist einer der Hauptgründe, warum die einheimischen Europäer dem Kollaps ihrer Völker und damit ihrer Kultur und vielleicht sogar ihrer Zivilisation derzeit schutzlos ausgeliefert sind.

Sie alle sind die Opfer von Danuta Czech. Herzlichen Dank, Danuta!

Im vorliegenden Buch beweist Carlo Mattogno zweifelsfrei, dass Danuta Czechs Kalendarium von Ausch­witz genau das ist, was man erwarten kann, wenn man seine Rolle in der Geschichte erkennt: Ein Bericht mit vielen richtigen Aussagen über ein Lager, das von Anfang an ein Unrecht war, der aber durchsetzt ist mit einer großen Menge an Propagandalügen, die den hier beschriebenen politischen Absichten dienen sollten.

Germar Rudolf
Red Lion, Pennsylvania
29. Dezember 2021


[1]    Als die Sowjetunion Mitte der 1980er Jahre vor dem Bankrott stand, bot Michail Gorbatschow an, den nördlichen Teil Ostpreußens, der nach dem Krieg “unter sowjetische Verwaltung” gekommen war, für eine Milliarde D-Mark an Westdeutschland zu verkaufen, aber Bonn lehnte dieses Angebot ab. Wenn man bedenkt, dass diese Enklave heute wie ein eiternder russischer Dorn inmitten des NATO- und EU-Gebietes sitzt, denke ich, dass Berlin heute anders darüber denkt, aber es ist unwahrscheinlich, dass Russland dieses Angebot jemals wiederholen wird…