Diplomarbeit

Seit mir mein Chemielehrer am Gymnasium, Joachim Mühlenberg, die Elektrochemie im Jahre 1982 nahegebracht hatte, hat mich dieses Thema fasziniert. Dementsprechend fertigte auf diesem Gebiet meine Diplomarbeit an. Dafür gelang es meinem formalen Diplomvater, Prof. Dr. Wolf Vielstich von der Uni Bonn, mich bei Prof. Dr. August Winsel unterzubringen, der neben seinem Lehrsitz an der Uni Kassel auch noch Forschungsdirektor des Forschungsinstituts der VARTA Batterie AG war, einem großen deutschen Batteriehersteller. Daher führte ich die Forschungen für meine Diplomarbeit an diesem Forschungsinstitut in Kelkheim nahe Frankfurt am Main durch. Zum Neid vieler anderer Studenten, die sich mit der kargen Universitätsausrüstung herumschlagen mussten, stand mir die ganze Palette moderner Laborausrüstung in diesem renommierten, großzügig finanzierten Institut zur Verfügung, und ich nutzte dies weidlich aus. Zudem verdiente ich dabei sogar ein wenig Geld, was damals recht außergewöhnlich war (und es wohl heute noch ist).

Das Thema meiner Arbeit war die Verbesserung der Sauerstoffseite einer Brennstoffzelle, die in Zukunft als Bordenergieversorgungssystem der geplanten europäischen Raumfähre Hermes vorgesehen war – ein Projekt, das niemals verwirklich wurde. Aber damals wusste ich das noch nicht. Ich erinnere mich, wie ich damals meine vorläufigen Forschungsergebnisse während eines Treffens mit Vertretern der europäischen Raumfahrtgesellschaft ESA vortrug. Das Treffen wurde in englischer Sprache abgehalten, aber viele der Mitglieder dieser ESA-Kommission waren Franzosen, und deren Englisch war sogar noch schlimmer als meines. Einer von ihnen versuchte, mir in entstelltem Englisch eine Frage zu stellen, aber selbst nachdem er es dreimal wiederholt hatte, konnte ich immer noch nicht verstehen, was er meinte. Ich bat ihn daher schließlich, seine Frage auf Französisch zu stellen, und ich antwortet ihm dann auch auf Französisch. Ich hatte damals hochfliegende Hoffnungen über meine zukünftige Karriere.

Diese Träume wurden zerstört, als VARTA entschied, seine Entwicklungsabteilung für Brennstoffzellen zu schließen, nachdem die finanziellen Mittel für derlei Forschung überall in Deutschland ausgetrocknet waren. Erdöl war Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre billig, weshalb niemand willens war, diese wichtige Arbeit aufrecht zu erhalten. Nach Abschluss meiner Diplomarbeit sah ich mich daher woanders nach eine Stelle um, um meine Doktorarbeit anzufertigen. Doch zurück zur Diplomarbeit.

Ich habe hier das Vorwort und die Einführung meiner Diplomarbeit ausgehängt. Die gesamte Arbeit kann man hier als OCR-bearbeitete PDF-Datei herunterladen.

1. VORWORT

Zur Elite eines Volkes zu gehören heißt nicht, aufgrund von Geist und Bildung mehr zu verdienen und zu bedeuten, sondern heißt, Geist und Bildung tugendhaft und verantwortungsvoll in den Dienst der Nation zum Wohl des Volkes und der ganzen Menschheit zu stellen und, so es gelingt, damit das Mehr an Habe und Ansehen erst zu verdienen.

Kaum ein anderes Volk ist so auf eine leistungskräftige und -willige Elite angewiesen wie das Deutsche, dessen Vaterland mit materiellen Schätzen sehr geizt. Wo jedem Menschen zur Ernährung gerade ein halbes Fußballfeld zur Verfügung steht, ist der Mensch zur hochtechnisierten Zivilisation verdammt. Uns bleibt somit nur der Weg, uns der Herausforderung immer wieder zu stellen und im Wettbewerb der Dichter, Denker und Forscher den uns gebührenden Platz zu verteidigen und auszubauen.

In diesem Sinne hoffe ich, daß diese Diplomarbeit ein winziger und bescheidener Beitrag dazu sein möge und daß der Leser ob dieser Zeilen angespornt wird, des Herzens und Geistes beste Triebe in den Wettkampf einzubringen.

Germar Rudolf, Kelkheim 19.6.89

[Kapitel 2 enthält das Inhaltsverzeichnis, das ich hier auslasse.]

3. EINFÜHRUNG

3.1. VISION

Seit nunmehr 20 Jahren sind die Themen Nord-Süd-Gefälle und Umweltverschmutzung zentrale Themen vieler oft stark emotionalisierten Diskussion, bei der die weitsichtige Argumentation häufig auf der Strecke bleibt.

Das Problem der Armut und überbevölkerung in der 3. Welt ist, wie man aus der historischen Entwicklung der modernen Industrieländer weiß, eng mit dem pro-Kopf-Verbrauch an Energie verknüpft.

Nur durch eine allgemeine Anhebung des Lebensstandards wird dem Individuum die Notwendigkeit der Zeugung von möglichst vielen Nachkommen zwecks Miterwerb und Altersversorgung genommen.

Diese Anhebung des Lebensstandards erreicht man jedoch nur über die Industrialisierung der 3. Welt. Würde die Lösung dieser immense Aufgabe durch Anwendung der konventionellen Energiequellen in Angriff genommen, würden sich die heute schon erkennbaren Umweltprobleme katastrophal steigern. Die Abholzung der Regenwälder Südamerikas gibt uns einen ersten, traurigen Einblick in die Konsequenzen unseres Handelns.

Es bedarf also eines neuen tragfähigen, universell einsetzbaren Energieversorgungskonzeptes für die Zukunft der Menschheit.

An die Stelle der über Jahrhunderte verwandten fossilen Energieträger muß ein System treten, daß mit ähnlichen Energiedichten die Umwelt weit weniger belastet, sowohl primär durch Schadstoffausstoß, als auch sekundär durch die Umweltschäden, die bei der Bereitstellung dieses Systems entstehen. Letzteres ist bei Wasser-, Wind- und geothermischer Energie problematisch, der Primärschadstoffausstoß wird seit Tschernobyl leider wenig sachlich der Kernenergie angelastet.

Als einzige Alternative neben der Kernenergie bleibt die Solarenergie, die jedoch nur fernab der heutigen Großenergieverbraucher rationell umsetzbar ist. Damit ergibt sich die Problematik des Transports und der Speicherung dieser Energie.

Hier drängt sich nun die nicht mehr ganz junge Wasserstofftechnologie auf, bei der die durch Solarzellen gewonnene elektrische Energie durch Wasserelektrolyse in Form von verflüssigbarem Wasserstoff chemisch, also verlustfrei gespeichert und transportiert werden kann. Diese Energie kann schließlich in vielerlei Form umgesetzt werden.[1]

In der vorliegenden Arbeit geht es um den Umkehrprozeß der Elektrolyse von H2O, der Gewinnung elektrischer Energie durch die sogenannte kalte Verbrennung von H2 und O2 in Brennstoffzellen zu H2O.

Genauer wird nur eine Hälfte einer solchen Zelle untersucht: Die Reaktivität der sauerstoffreduzierenden Kathoden in Abhängigkeit von Zusammensetzung und Struktur.

Es geht also um einen winzigen Ausschnitt aus der Technik für die lebensgerechte Gestaltung der Zukunft der Menschheit im allgemeinen.

3.2. GESCHICHTE

Schon um die Jahrhundertwende gab es die ersten Bemühungen, Sauerstoff-verzehrende Brennstoffzellen mit Kohle als Brennstoff zu konstruieren. Diese Festelektrolytzellen zeichneten sich jedoch durch geringe Stromdichten und Lebensdauer aus [2]. Erst mit der Hinwendung zu flüssigen Elektrolyten und gasförmigen oder flüssigen Brennstoffen in den 30er Jahren gelang allmählich der Durchbruch [3,4,5].

Eingang in die technische Anwendung erhielten die Wasserstoff/Sauerstoff-Brennstoffzellen erst durch die Arbeiten von Justi und Winsel [6] mit der Einführung der Doppelskelettkatalysatorelektroden (DSK): Durch die unterschiedliche Porosität der zwei an einanderliegenden Schichten dieser Gasdiffusionselektroden ergeben sich unterschiedliche Kapillardrücke für den Elektrolyten im Porensystem. In einem bestimmten Gasüberdruckbereich wird also nur aus der groberen Schicht der Elektrolyt verdrängt, die Elektrode ist nur annähernd halb geflutet, die zur elektrochemischen Re aktion nötige 3-Phasen-Grenze (Gas-Katalysator-Elektrolyt) bleibt maximal.

Durch den teuren und komplizierten Herstellungsprozeß war dieser Technologie der Durchbruch jedoch verwährt.

Seit einigen Jahren wendet die Hoechst-AG ein neues Verfahren an, bei dem die Ausbildung des biporösen Porensystems (Gasraum/Elektrolytraum) nicht mehr durch unterschiedliche Porengrößen, sondern durch die Teilhydrophobierung des Katalysatormaterials erreicht wird. Dies geschieht durch die Verwendung von Polytetrafluoretylen (PTFE), das dem Katalysator während des naßchemischen Herstellungsprozesses beigefügt wird (siehe Kap. 7.1.2.). Auch die Siemens-AG beschäftigt sich intensiv mit ähnlichen Elektroden [7,8,9].

Im Zuge der Entwicklung von Zink-Luft-Batterien der VARTA Batterie AG wurde von H. Sauer eine neuartige O2-Verzehrelektrode auf MnOx/Kohle-Basis hergestellt , bei der man den notwendige Gasraum in der Elektrodenmasse ebenfalls durch Teilhydrophobierung mittels PTFE erhält (siehe Kap. 4. und [10]). Das Herstellungsverfahren wird enorm vereinfacht, da hierbei pulverförmiges Katalysatormaterial mit fadenförmigen PTFE in Messermühlen intensiv vermischt wird. Die so entstandene Masse kann anschließend dank der adhäsiven Kräfte der PTFE-Fäden leicht kontinuierlich zu einem stabilen, dünnen Band ausgewalzt werden (siehe Kap. 6.).

3.3. PROBLEMSTELLUNG

Von A. Winsel wurde dieses o.a. Konzept auf die Elektroden der Brennstoffzellen übertragen, wobei neben Kosteneinsparungen durch die Rationalisierung der Produktion wegen der erheblich geringeren Dicke der Elektroden (< 0.5 mm gegen > 1 mm bei den DSK-Elektroden) auch eine Erhöhung der Leistungsdichte der Brennstoffzelle erreichbar schien.

Über Struktur und Reaktivität der Anoden liegt von K. Rühling schon eine ausführliche Arbeit vor [11], in der er kurz auf die Möglichkeit der Herstellung von Sauerstoffdiffusionselektroden eingeht.

Die Untersuchungen an den Kathoden aus diesen Herstellungsprozess bleiben also vorwiegend dieser Arbeit vorbehalten, wobei durch konsequente Untersuchung des Einflusses von Zusammensetzung und Herstellungsbedingungen auf die Struktur deren Einwirken auf die Reaktivität untersucht wird.

Unter Reaktivität versteht man hier im Endeffekt die Lage der Kennlinie (Strom-Spannungs-Charakteristik) beim Einsatz in der Brennstoffzelle, sie ist das gültige Maß der Qualität der Elektroden. Zumeist wird die Kennlinie der Elektrode aber in Halbzellenmessungen unter nicht ganz realistischen Einsatzbedingungen gemessen (Kap. 7.1.). Dieses U-I-Verhalten wird seinerseits durch eine Summe von Ein zeleffekten wie Thermodynamik und Kinetik der Reaktion sowie Ohm’sche Spannungsverluste beeinflußt. Diese werden neben prinzipiellen Gesetzmäßigkeiten stark von der Zusammensetzung und der Feinstruktur der Elektrode bestimmt. Will man also eine Verbesserung der Qualität einer Elektrode nicht nach einem blinden Versuch-und-Irrtum-Prinzip erreichen, so muß der Zusammenhang zwischen Struktur und Reaktivität erkannt werden. So wird es schließlich möglich, aus den gewonnenen Kenntnissen geziehlt die Qualität der Elektrode zu beeinflussen.

Dies bedeutet, daß während der praktischen Arbeiten immer wieder aus Erkenntnissen von Zusammenhängen zwischen diesen Faktoren neue Variationen in Zusammensetzung und Verarbeitung entstanden. Aus didaktischen Gründen müssen jedoch die einzelnen Kapitel zu elektrochemischen Messungen und Strukturuntersuchungen getrennt bleiben, eine chronologische Darstellung der Erkenntnisfindung kann nur andeutungsweise gemacht werden. Dies erfolgt, indem des öfteren durch Querverweise auf Erkenntnisse aus anderen Messungen hingewiesen wird.

Aufgrund der fortgeschrittenen Arbeiten der Hoechst-AG werden deren Elektroden häufig zum Vergleich herangezogen, zumal diese sich wegen des andersartigen Herstellungsprozesses strukturell stark von den während dieser Arbeit produzierten unterscheiden.


Anmerkungen

[1] Deutsche Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt/Landesgewerbeamt Baden-Württemberg: Solarer Wasserstoff, Energieträger der Zukunft, Stuttgart 1989

[2] E. Baur u. H. Preis: Z. Elektrochem., Bunsenges. physik. Chem. 43, 727 (1937)

[3] A. Schmid: Die Diffusionselektrode, Enke Verlag, Stuttgart 1923; Helv. Chim. Acta 7, 549 (1924)

[4] G. W. Heise u. E.A. Schumacher: Trans. elektrochem. Soc, 62, 383 (1932); 92, 173 (1947)

[5] W. Vielstich: Brennstoffelemente, 4ff, Verlag Chemie, Weinheim 1965

[6] E. Justi, A. Winsel: Kalte Verbrennung – Fuel Cells, Steiner Verlag, Wiesbaden 1962

[7] K. Höhne: Highly Active Doped Silver Catalyst for Oxygen Reduction in Hydrogen/Oxygen Fuel Cells. Siemens Forsch.- u. Entw.-Ber. 3 (1974), pp. 31-35

[8] K. Höhne: Doped Silver Catalyst for H2/Air Fuel Cells. Siemens Forsch.- u. Entw.-Ber. 6 (1977), pp. 350-354

[9] H. Gutbier et al.: Brennstoffzellenanlagen in Kompaktbauweise, BHFT-FB-T 83-113

[10] H. Sauer, DE-OS 2941 774 (1979)

[11] K. Rühling: Untersuchungen an neuartigen PTFE-gebundenen Raneynickel- und Silberelektroden, Diplomarbeit GH Kassel, Technische Physik 1986